In der Physik ist Trägheit die Eigenschaft eines Körpers, in seinem Bewegungszustand zu verharren, solange keine äußere Kraft auf ihn einwirkt. Diese physikalische Binsenweisheit ist vielleicht die beste Erklärung für den ewigen Kampf zwischen Battlefield und Call of Duty. Denn während Battlefield 6 mit Anlauf gegen die Tür tritt, sitzt Call of Duty als träger Riese bereits am Tisch - und wird wahrscheinlich auch dieses Jahr nicht aufstehen.

Battlefield 6: Ein fantastisches Spiel auf dem Weg zur kommerziellen Niederlage?
 

tldr: Die Beta zu Battlefield 6 war ein voller Erfolg und die Stimmung ist euphorisch. Analysten sind sich jedoch einig: Trotz der Schwächen von Black Ops 7 ist die Markt-Dominanz von Call of Duty durch schiere Markentreue und das Warzone-Ökosystem zu erdrückend.

Die unsichtbare Macht der Gewohnheit

Stell dir vor, du bist ein Gelegenheitsspieler. Jedes Jahr im Herbst kaufst du das neue Call of Duty. Es ist ein Ritual, so wie für andere der erste Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt. Du beschwerst dich vielleicht darüber, aber du tust es trotzdem. Genau dieses Phänomen, von Analyst Rhys Elliott von Alinea Analytics als "Autopilot-Kaufverhalten" bezeichnet, ist die Superkraft von Call of Duty. Elliott formuliert es brutal ehrlich: "Die Realität ist, dass CoDs Verkaufs-Boden höher ist als die Verkaufs-Decke von Battlefield."

 

Zur Erinnerung: Selbst 2016, als das hochgelobte Battlefield 1 erschien, verkaufte sich das weithin unbeliebte Call of Duty: Infinite Warfare immer noch millionenfach besser. Das ist Marken-Trägheit in Reinform. Hinzu kommt das Warzone-Ökosystem. Jeder, der das kostenlose Battle Royale startet, wird unweigerlich mit Werbung für Black Ops 7 konfrontiert. Warzone ist nicht nur ein Spiel, es ist die größte und aggressivste Werbetafel, die Activision besitzen könnte - eine, die Battlefield schlichtweg fehlt.

Battlefields Rückkehr zu alter Stärke

Und doch ist dieses Jahr etwas anders. Die Stimmung um Battlefield 6 ist elektrisierend. Die offene Beta zog Berichten zufolge 20 Millionen Spieler an und das Feedback war, von kleineren Kritikpunkten abgesehen, überwältigend positiv. Die Entwickler bei Battlefield Studios, darunter ehemalige CoD-Größen wie Vince Zampella, haben klar kommuniziert, dass man sich an Klassikern wie Battlefield 3 und 4 orientiert. Man hat die verhassten Spezialisten aus Battlefield 2042 über Bord geworfen und kehrt zur klassischen Klassenformel zurück.

 

DICE und EA tun und sagen im Moment alles richtig, um das nach 2042 verloren gegangene Vertrauen der Community zurückzugewinnen. Das Spiel spricht gezielt die "Hardcore FPS Crowd" an, die sich nach taktischer Tiefe und groß angelegten Schlachten sehnt. Doch der Erfolg steht und fällt mit einer einzigen Bedingung, wie Analyst Kade Barr von Wedbush Securities betont: Der Launch muss absolut reibungslos verlaufen. Jede Erinnerung an das technische Desaster von 2042 wäre der sofortige Todesstoß für den Hype.

Der Game-Pass-Faktor: Ein Trojanisches Pferd für Battlefield?

Hier wird es wirklich interessant. Black Ops 7 erscheint vom ersten Tag an im Xbox Game Pass. Das garantiert eine gigantische Spielerzahl, aber nicht zwangsläufig traditionelle Verkäufe. Barr wirft eine faszinierende Theorie in den Raum: Könnte der Game Pass Battlefield 6 sogar helfen? Die Logik ist verblüffend: Ein Großteil der CoD-Spieler muss dieses Jahr keine 70 Euro für das Spiel ausgeben. Dieses "gesparte" Geld könnte nun in den Kauf eines anderen Vollpreis-Shooters fließen - zum Beispiel Battlefield 6.

 

Es könnte also zu der paradoxen Situation kommen, dass Black Ops 7 zwar deutlich mehr Spieler hat, sich die reinen Verkaufszahlen der beiden Titel am Ende aber stärker annähern als erwartet. Es ist eine unkonventionelle Variable in einem ansonsten sehr vorhersehbaren Rennen.

Ein Blick in die Geschichtsbücher (und auf Social Media)

Ein Blick auf die historischen Verkaufszahlen in den USA ist ernüchternd. Ein Battlefield-Spiel hat es noch nie auf Platz 1 der Jahrescharts geschafft. Selbst in starken Jahren landete man hinter dem jeweiligen Call of Duty. Es ist also kein Wunder, dass Analysten auf Social-Media-Prognosen wie die des ehemaligen Xbox-Chefs Mike Ybarra, der meinte, "Battlefield wird CoD dieses Jahr mit Stiefeln zertrampeln", mit einem müden Lächeln und den Worten "Chill out, son" reagieren. Ybarra meinte damit wohl eher die Qualität und den Einfluss des Spiels, nicht die reinen Verkaufszahlen.

 

Und genau hier liegt der springende Punkt: Der Druck durch ein starkes Battlefield 6 zeigt bereits Wirkung. Die plötzliche Kehrtwende von Activision, das "Carry Forward"-System für Black Ops 7 zu streichen und einen geerdeteren Ton zu versprechen, ist eine direkte Folge der wiederbelebten Konkurrenz.

 

Am Ende des Jahres werden wir also vielleicht zwei Sieger haben, nur eben in unterschiedlichen Disziplinen. Call of Duty wird sich wahrscheinlich die Krone des bestverkauften Spiels aufsetzen, fast schon aus Gewohnheit. Aber Battlefield 6 hat die Chance, das Spiel des Jahres im Herzen der Hardcore-Community zu werden und seinen größten Konkurrenten zu dringend benötigten Reformen zu zwingen.

 

Und vielleicht, liebe Leute, ist das der Sieg, der am Ende wirklich zählt. Oder was meinst du?