Ryzen 7 9850X3D: AMD bestätigt versehentlich höher getakteten Zen-5-Octacore
Es ist das klassische Katz-und-Maus-Spiel im Hardware-Journalismus: Ein Admin drückt den falschen Knopf, eine Support-Seite geht live, das Internet vergisst nichts – und AMD zieht den Stecker. Genau das ist mit dem Ryzen 7 9850X3D passiert. Der Link führt inzwischen ins digitale Nirwana (Error 404), aber die Screenshots sind da. Und sie erzählen eine Geschichte, die nicht jedem gefallen wird, der gerade seinen Weihnachtsurlaub mit einem frischen 9800X3D geplant hat.
Tech-Briefing: Ryzen 7 9850X3D (Leak-Status)
- Architektur: Zen 5 "Granite Ridge" mit 2nd Gen 3D V-Cache.
- Konfiguration: 8 Kerne / 16 Threads (Single CCD).
- Taktung: Bis zu 5,6 GHz Boost (+400 MHz gegenüber 9800X3D laut Leak).
- Cache: 96 MB L3 (32 MB On-Die + 64 MB 3D V-Cache).
- TDP: 120 Watt (identisch zum 9800X3D, erfordert aber selektiertes Silizium).
- Status: Versehentlich gelistet, aktuell offline.
Der Leak: (K)ein Tippfehler?
Der Leaker Olrak29 hat den Eintrag zuerst entdeckt. Dass AMD spezifisch "AMD Ryzen™ 7 9850X3D Drivers and Downloads" listete, lässt wenig Raum für Interpretation. In meiner Laufbahn habe ich viele solcher "Placeholder" gesehen, aber die spezifische Modellnummer 9850 deutet auf eine bewusste Segmentierung hin, die wir bisher eher aus dem OEM-Bereich oder von "XT"-Refreshs kannten.
Das Timing ist dabei der eigentliche Punkt. Der 9800X3D ist kaum warmgelaufen, da steht schon der große Bruder in der Tür. Das schmeckt nach "Early Adopter Tax".
Architektur: 5,6 GHz beim X3D? Respekt.
Lassen wir den Frust kurz beiseite und schauen unter den Heatspreader. Die geleakten 5,6 GHz sind technisch gesehen ein kleines Ausrufezeichen. Zum Vergleich: Der 9800X3D taktet mit 5,2 GHz. 400 MHz mehr bei einem X3D-Chip sind eine Welt.
Wir erinnern uns an die Zen-3-Ära: Der 5800X3D war ein Hitzkopf, der sich kaum übertakten ließ, weil der Cache wie eine Heizdecke auf den Kernen lag.
Bei Zen 5 hat AMD den Stack clever invertiert: Der Cache liegt nun unter den Kernen.
- Thermik: Die Kerne haben direkten Kontakt zum Kühler. Das ist der einzige Grund, warum AMD sich überhaupt traut, die Frequenz-Schraube so anzuziehen.
- Silicon Lottery: Trotzdem ist das kein Selbstläufer. Ein 8-Kerner, der mit aufgesatteltem Cache 5,6 GHz bei 120W TDP halten soll, muss ein absolutes "Golden Sample" sein. Wir reden hier von Silizium am absoluten Limit der Effizienzkurve. AMD scheint hier aggressives Binning zu betreiben – was im Umkehrschluss bedeutet, dass diese Chips selten und vermutlich teuer sein werden.
Performance: Brauchst du das wirklich?
Hier müssen wir ehrlich sein: Wer profitiert davon?
Die “Frametime-Junkies”
In CPU-limitierten Szenarien – denk an Factorio im Endgame, World of Warcraft Raids oder Counter-Strike 2 auf Low-Settings bei 500 Hz – ist Takt King. Der Cache fängt die Latenzen ab, aber der Takt bestimmt den Durchsatz. Hier könnte der 9850X3D tatsächlich die letzten 5 bis 8 Prozent herauskitzeln, die den Unterschied zwischen "schnell" und "Wettbewerbsvorteil" ausmachen.
Der Workstation-Kompromiss fällt weg
Das Spannendste für mich als jemand, der am selben Rechner kompiliert und zockt: Der Abstand zum "normalen" Ryzen 7 9700X (5,5 GHz) wäre Geschichte. Bisher mussten wir uns entscheiden: Maximale Gaming-Leistung (X3D) oder maximaler Takt für Single-Core-Lasten (Non-X3D). Der 9850X3D würde diesen Trade-off eliminieren. Er wäre die "Eierlegende Wollmilchsau" für AM5.
Einordnung: Warum tut AMD das?
Warum jetzt? Intel hat mit Arrow Lake (Core Ultra 200S) im Gaming-Bereich keine echte Bedrohung aufgebaut. AMD könnte sich eigentlich zurücklehnen.
Dass der 9850X3D existiert, deutet auf zwei Dinge hin:
- Yield-Optimierung: Die 4nm-Fertigung bei TSMC läuft so gut, dass AMD zu viele Chips hat, die diese Taktraten schaffen. Es wäre ökonomisch sinnlos, diese als "langsamere" 9800X3D zu verkaufen, wenn man ein Premium-Label draufkleben kann.
- Psychologische Kriegsführung: Man will den Abstand zu Intel so groß halten, dass selbst ein hypothetischer "Arrow Lake Refresh" keine Chance hat, in Schlagdistanz zu kommen.
| Modell | Kerne | Boost-Takt | Realitätsscheck |
|---|---|---|---|
| Ryzen 7 9850X3D | 8 | 5,6 GHz | Das neue Halo-Produkt für alle, die keine Kompromisse dulden. |
| Ryzen 7 9800X3D | 8 | 5,2 GHz | Vernunftwahl (wenn man bei High-End von Vernunft sprechen kann). |
| Ryzen 7 7800X3D | 8 | 5,0 GHz | Immer noch absolut ausreichend für 99% aller Gamer. |
Was du jetzt tun solltest
Wenn du gerade einen 9800X3D bestellt hast: Atme tief durch. Dein Prozessor ist nicht plötzlich langsam. Er gehört immer noch zur absoluten Spitze. Der 9850X3D wird teurer sein und vermutlich heißer laufen – eine 360mm AIO wird hier vom "Nice-to-Have" zur Pflichtübung, um das thermische Throttling jenseits der 5,5 GHz zu verhindern.
Wer aber noch auf einem Ryzen 5000 oder 7000 sitzt und das Upgrade plant, sollte vielleicht noch den Januar abwarten. Die CES 2025 steht vor der Tür, und wenn AMD diesen Chip dort offiziell macht, könnten sich die Preise im gesamten Lineup nochmal verschieben. Bis dahin bleibt der 9850X3D das Gespenst auf der AMD-Website – gesehen von wenigen, erwartet von vielen.