Die ersten Previews zu Borderlands 4 sind da und zeichnen ein zwiespältiges Bild: Das Gameplay profitiert von einem nahtlosen Open-World-Ansatz und neuen Movement-Optionen, doch ein ernsterer Ton und ein überarbeitetes Waffensystem sorgen für Diskussionen. Obendrein leistet sich Gearbox nach der Preisdebatte den nächsten Fauxpas mit einer 150-Dollar-Sammleredition, die das Spiel selbst gar nicht enthält.
Borderlands 4 in der Vorschau: Ein Neuanfang mit spielerischer Stärke und Identitätskrise
Die ersten Tester durften ran an Borderlands 4 – und kommen mit einem ganzen Rucksack voller Eindrücke zurück. Das Bild, das sie zeichnen, ist dabei so zwiespältig wie eine Waffe von Tediore. Auf der einen Seite stehen massive und längst überfällige Gameplay-Verbesserungen, die das Shooter-Herz höherschlagen lassen. Auf der anderen Seite steht ein mutiger, aber hochriskante Neuausrichtung bei Humor und Waffen-Design. Und als wäre das nicht schon genug Diskussionsstoff, stolpert Gearbox direkt in das nächste Kommunikations-Desaster rund um eine sogenannte Collector's Edition, die aber eigentlich gar keine ist.
Kurz & Knapp
- Gameplay-Sprung: Eine nahtlose Open World und moderne Bewegungsoptionen wie Greifhaken und Gleiten heben das Spielgefühl auf ein neues Level.
- Collector's Edition-Chaos: Eine für 150 Dollar verkaufte Sammler-Box enthält nicht das Spiel. Gearbox spricht von einer "Fehlbezeichnung".
- Erwachsenerer Ton: Der oft als "cringey" kritisierte Humor aus Teil 3 wird durch einen "geerdeten" Stil ersetzt, der von vielen als fast schon zu brav empfunden wird.
- Waffen-Identität in Gefahr: Ein neues Bauteil-System verwischt die klaren Grenzen zwischen den Waffenherstellern – für mehr Vielfalt, aber potenziell weniger Charakter.
- Endlich da: Lang geforderte Features wie Missions-Wiederholungen und manuelle Heilung sind bestätigt.
Das nächste PR-Dilemma: Die Collector's Edition ohne Spiel
Als wäre die Debatte um Randy Pitchfords "Real Fans"-Aussage nicht schon genug gewesen, leistet sich Gearbox den nächsten groben Schnitzer in der Kommunikation. Gross angekündigt wurde eine "Collector's Edition" (aka Echo-4 Bundle) für satte 150 Dollar, gefüllt mit einer Statue, Art-Prints und anderem Merchandise. Das Problem: Das Hauptspiel sucht man in dieser Box vergebens.
Die Reaktion der Fans liess nicht lange auf sich warten. Die offizielle Antwort des Studios auf die berechtigte Kritik wirkt dabei fast schon wie eine Parodie.
"The Echo-4 Bundle was mislabeled as a Borderlands 4 Collector's Edition. This has been corrected on the website."
Diese nachträgliche Umbenennung ist kaum mehr als eine unbeholfene Schadensbegrenzung und hinterlässt einen faden Beigeschmack. Es bestärkt den Eindruck, dass man bei der Vermarktung von Borderlands 4 aktuell kein glückliches Händchen beweist.
Was steckt für 150 Dollar im "Echo-4 Bundle"?
Für den stolzen Preis von rund 150 US-Dollar stellt sich natürlich die Frage: Was bekommen Käufer des umstrittenen Bundles denn nun für ihr Geld, wenn schon das Spiel selbst fehlt? Wir haben die Inhalte für euch aufgeschlüsselt. Das Paket ist eine klassische Sammlung physischer Goodies für Sammler und Hardcore-Fans.
- ECHO-4 Statue: Das Herzstück des Pakets ist eine rund 20 cm (8 Zoll) grosse Statue eures neuen Drohnen-Begleiters ECHO-4. Die Augen der Statue können per mitgeliefertem USB-C-Kabel zum Leuchten gebracht werden. Ein schicker Hingucker für den Schreibtisch.
- Kammer-Symbol-Halskette: Ein klares Erkennungszeichen für Fans. Die Kette aus rostfreiem Stahl kommt mit einem verchromten Anhänger des ikonischen Kammer-Symbols.
- Stoffkarte von Kairos: Eine 17 Zoll grosse Karte des neuen Planeten Kairos aus Polyester, die die vier Hauptregionen des Spiels zeigt. Eher ein Souvenir als eine praktische Navigationshilfe.
- Lithografie-Kunstdrucke: Ein Set aus vier doppelseitigen Hochglanz-Drucken (ca. 20x25 cm), die die neuen Kammerjäger Vex, Rafa, Harlowe und Amon zeigen.
- SHiFT-Code für 5 Goldene Schlüssel: Der einzige digitale Inhalt des Pakets. Mit den fünf Goldenen Schlüsseln lässt sich die Goldene Truhe im Spiel öffnen, die stets mit starker, level-gerechter Ausrüstung gefüllt ist. Ein kleiner Bonus für den Start oder das Endgame.
Am Ende der offiziellen Produktbeschreibung steht dann auch unmissverständlich der Satz, der die ganze Kontroverse erst ausgelöst hat:
GAME SOLD SEPARATELY
Spielerisch top: Ein Quantensprung bei Movement und Komfort
Abseits des Marketing-Theaters gibt es aber auch äusserst erfreuliche Nachrichten von der Gameplay-Front. Hier scheint Borderlands 4 einen gewaltigen Schritt nach vorne zu machen. Die wohl grösste Neuerung ist die nahtlose Open World. Ladebildschirme zwischen den Gebieten gehören der Vergangenheit an. Um diese Welt zu erkunden, wurde das Bewegungs-Repertoire der Kammerjäger massiv aufgestockt: Doppelsprung, Gleiten und ein Greifhaken machen die Fortbewegung und die Kämpfe deutlich vertikaler und dynamischer.
Gleichzeitig hat man auf die Community gehört und einige der meistgewünschten Komfortfunktionen endlich implementiert. Besonders hervorzuheben sind die manuelle Heilung durch "Repkits", die als eigener Ausrüstungsgegenstand sogar Boni verleihen können, und die Möglichkeit, Missionen und Bosse gezielt zu wiederholen, ohne umständlich das Spiel verlassen zu müssen. Das sind klare und unbestreitbare Verbesserungen, die jeder begrissen wird.
Ein zweischneidiges Schwert: Die Seele des Loot-Shooters
So einstimmig das Lob für die spielerischen Grundlagen ausfällt, so gespalten sind die Meinungen zu den kreativen Kern-Elementen. Gearbox will die Serie eindeutig weiterentwickeln, doch einige Änderungen gehen an die Substanz dessen, was Borderlands bisher ausmachte.
Der Humor: Ein Schuss in den eigenen Fuss?
Der Konsens ist klar: Der Humor wurde gezähmt. Als direkte Reaktion auf die Kritik am überdrehten und oft als peinlich empfundenen Stil von Borderlands 3, ist der Ton in Teil 4 deutlich zurückhaltender. Die Dialoge sind professionell geschrieben, die Charaktere sympathisch, aber es fehlt die anarchische, unvorhersehbare Energie der Vorgänger.
Ein Tester brachte es auf den Punkt: Während eine Hauptmission erzählerisch vor sich hin plätscherte, fühlte sich eine Nebenmission mit dem altbekannten Nerv-Bot Claptrap wie "echtes, klassisches Borderlands" an. Die bewusste Zerstörung einer ikonischen Psycho-Maske in einer Quest wird als klares Symbol verstanden: Die alte Ära ist vorbei.
Das Waffensystem: Vielfalt auf Kosten der Identität?
Die vielleicht fundamentalste Änderung betrifft das Herzstück des Spiels: die Waffen. Bisher hatte jeder Hersteller eine glasklare Identität. Diese wird nun durch ein flexibles Bauteil-System aufgeweicht. Plötzlich kann eine Jakobs-Waffe Elementarschaden machen oder eine Torgue-Knarre auf hohe Feuerraten getrimmt sein. Das Ergebnis ist eine theoretisch gigantische Waffenvielfalt. Doch viele befürchten, dass dadurch der einzigartige Charakter und das Wiedererkennungsmerkmal der Marken verloren geht.
"I would just ask this: if you put a Bugatti engine inside a Ferrari, is it still a Ferrari?"
Connor Makar, VG247
Erste Einschätzung
Was bleibt also nach den ersten Stunden mit Borderlands 4? Das Gefühl, einem technisch und mechanisch stark verbesserten Spiel gegenüberzustehen, das sich gleichzeitig in einer Identitätskrise befindet. Die Quality-of-Life-Updates sind fantastisch, die neue Bewegungsfreiheit ein Segen. Doch die kreative Neuausrichtung ist ein Wagnis.
Gearbox tauscht den lauten, chaotischen und oft pubertären Charme der Serie gegen einen reiferen, aber auch deutlich generischeren Ansatz ein. Die grosse Frage wird sein, ob dieser "erwachsenere" Weg neue Fans gewinnen kann, ohne die alten Hasen zu verprellen, die die Serie gerade für ihr lautes und einzigartiges Wesen geliebt haben. Borderlands 4 will anders sein – es muss nun beweisen, dass es dadurch auch besser wird.