In der Softwareentwicklung gibt es den Begriff der "technischen Schuld". Das ist der aufgestaute Berg an Problemen, den du dir einhandelst, wenn du Abkürzungen nimmst, anstatt von Anfang an sauber zu arbeiten. Epic Games' CEO Tim Sweeney legt nun nahe, dass genau dieser Schuldenberg für die Performance-Probleme vieler Unreal Engine 5-Titel verantwortlich ist - und die Entwicklerstudios sind die Schuldner.

Tim Sweeney und die verlorene Kunst der Optimierung: Wer ist schuld am Ruckel-Debakel in der Unreal Engine 5?
 

tldr: Epic-Chef Tim Sweeney meint, Performance-Probleme in UE5-Spielen liegen oft daran, dass Entwickler zu spät für schwächere Hardware optimieren. Epic will mit automatisierten Tools und besserer Schulung gegensteuern und verweist auf das hauseigene Fortnite als Beweis, dass es besser geht.

Der Fingerzeig aus Seoul

Stell dir vor, du baust das komplexeste Werkzeug der Welt und gibst es den Leuten in die Hand. Wenn sie sich damit verletzen, ist es dann deine Schuld oder ihre? Vor diese philosophische Frage stellt uns Tim Sweeney, Gründer und CEO von Epic Games, indirekt. Bei einer Medienrunde auf dem Unreal Fest in Seoul wurde er auf die notorischen Optimierungsprobleme von Spielen angesprochen, die auf seiner Unreal Engine 5 basieren. Seine Antwort, wie vom koreanischen Magazin This is Game berichtet, ist bemerkenswert direkt: Die Hauptursache für die miese Performance auf vielen PCs sei der Entwicklungsprozess selbst.

 

Laut Sweeney liegt das Kernproblem darin, dass viele Studios ihre Spiele primär für High-End-Hardware entwickeln. Die Optimierung für schwächere Systeme, also für die Rechner, die die meisten von uns tatsächlich unter dem Schreibtisch stehen haben, werde an das Ende des Entwicklungsprozesses verschoben. Ein Vorgehen, das fast zwangsläufig zu Kompromissen und unrunden Spielerlebnissen führt.

Vom Elfenbeinturm zur Basis

Sweeneys Analyse ist nicht von der Hand zu weisen und beschreibt ein Phänomen, das so alt ist wie die Spieleentwicklung selbst: Man entwickelt für das bestmögliche Szenario und versucht dann, das Ergebnis irgendwie auf die Realität der Massen herunterzubrechen. Es ist der digitale Äquivalent dazu, einen Formel-1-Motor zu bauen und sich erst danach zu fragen, wie man ihn in einen Volkswagen bekommt. Gleichzeitig ist es für den Hersteller der Engine eine sehr bequeme Position, die Verantwortung primär bei den Anwendern zu sehen. Du musst dir nur die jüngsten Vorzeigetitel ansehen: Ein Lords of the Fallen, Remnant II oder das grafisch opulente Senua’s Saga: Hellblade II nutzen die Features der Engine auf beeindruckende Weise. Aber diese Spiele sind eben auch ressourcenhungrige Biester, deren korrekte und effiziente Implementierung eine enorme Herausforderung darstellt.

Sweeney räumt immerhin ein, dass Optimierung "keineswegs eine leichte Aufgabe" sei. Idealerweise müsse sie früh im Prozess beginnen, bevor die eigentliche Produktion von Inhalten in vollem Gange ist. Das klingt logisch, ignoriert aber ein wenig die wirtschaftlichen Realitäten vieler Studios, die schnell vorzeigbare Ergebnisse für Publisher und Investoren produzieren müssen - und die sehen auf einem High-End-PC nun einmal am besten aus.

Epics Zwei-Fronten-Plan

Um diesem Dilemma zu begegnen, kündigt Epic zwei Lösungsansätze an. Zum einen soll der Support für die Unreal Engine selbst verstärkt werden, indem man "automatisierte Optimierungsfeatures" bereitstellt. Diese sollen den manuellen Aufwand für Entwickler reduzieren. Das ist ein bemerkenswertes Eingeständnis. Es suggeriert, dass die Engine in ihrer jetzigen Form vielleicht doch nicht so selbsterklärend und out-of-the-box effizient ist, wie es das Marketing gerne darstellt.

 

Zum anderen will Epic die Schulung von Entwicklern intensivieren, um das Bewusstsein für die Wichtigkeit frühzeitiger Optimierung zu schärfen. Im Notfall könnten sogar Epic-Ingenieure "direkt intervenieren". Als leuchtendes Beispiel wird dabei immer wieder Fortnite genannt. Das Spiel, so Sweeney, läuft selbst auf Low-Spec-PCs flüssig, und die daraus gewonnenen Erkenntnisse flössen kontinuierlich in die Weiterentwicklung der Unreal Engine ein. Der Vergleich hinkt allerdings gewaltig. Fortnite ist Epics Goldesel, entwickelt mit quasi unbegrenzten Ressourcen und dem direktesten denkbaren Zugang zum Engine-Quellcode - ein Luxus, den sich kaum ein anderes Studio leisten kann.

 

Letztendlich ist die Schuldfrage eine müßige Debatte. Die Frage, die für dich und mich am Ende des Tages zählt, ist, ob das nächste UE5-Spiel auf unserem System läuft, ohne es in eine Fritteuse zu verwandeln. Epics Plan, Entwicklern stärker unter die Arme zu greifen, ist sicher eine gute Idee. Aber die Verantwortung allein auf Studios abzuwälzen, die mit den immer komplexeren Werkzeugen jonglieren müssen, greift zu kurz.

 

Die Frage, die im Raum steht, ist also nicht nur, ob die Entwickler früher anfangen müssen zu optimieren. Es ist auch die Frage, ob Epic eine Engine gebaut hat, deren volles Potenzial nur unter Idealbedingungen - wie bei der Entwicklung von Fortnite - wirklich beherrschbar ist. Was meinst du dazu?