Jeder von uns kennt das Gefühl. Man späht um eine Ecke und wird von einem Schuss aus einer anderen Postleitzahl vaporisiert. Man schleicht durch ein Gebäude und jemand verfolgt einen zielsicher durch drei Wände. Cheater. Sie sind die Kakerlaken der Online-Shooter. Aber was, wenn wir euch sagen, dass der Krieg gegen sie nicht nur mit Code, sondern vor allem mit schnödem Mammon geführt wird? Eine neue wissenschaftliche Studie hat sich die Mühe gemacht, einen Blick hinter die Kulissen der Cheat-Industrie zu werfen, und ihre Ergebnisse sind, offen gesagt, faszinierend.

Es stellt sich heraus, der beste Weg Cheats zu bekämpfen, ist, sie richtig teuer zu machen
 

Folge dem Geld: Ein Blick in die Eingeweide der Cheat-Ökonomie

Vergesst das Klischee vom pickligen Hacker im Keller seiner Eltern. Cheaten ist ein knallhartes Geschäft, ein Dienstleistungssektor, der auf Hochglanz poliert wurde. Und auf der anderen Seite stehen die Entwickler, die versuchen, ihre Sandburgen gegen eine Flut von Aimbots und Wallhacks zu verteidigen. Eine aktuelle Analyse hat nun die Zahlen auf den Tisch gelegt und zeigt, dass der effektivste Schutz nicht unbedingt der cleverste Code ist, sondern derjenige, der den Cheatern am tiefsten in die Tasche greift.

 

Die Kurzfassung für Eilige

  • Ein Riesengeschäft: Wir reden hier nicht von Taschengeld. Allein in Europa und Nordamerika setzt die Cheat-Branche jährlich geschätzte 12,8 bis 73,2 Millionen Dollar um.
  • Der Preis der Macht: Die Kosten für einen Cheat hängen fast perfekt von der Qualität des Anti-Cheat-Systems ab, das er aushebeln muss. Guter Schutz bedeutet sündhaft teure Cheats.
  • Geplante Ausfälle: Je stärker das Anti-Cheat, desto öfter sind die Cheats "down" oder im Wartungsmodus. Unzuverlässigkeit ist eine Waffe.
  • Der Sprung in den Kernel: Die wirksamsten Wächterprogramme graben sich wie ein unliebsamer Hausgast tief in euer Betriebssystem ein, um von dort aus alles zu überwachen.
  • Shoppen für den unfairen Vorteil: Cheats kauft man heute auf professionellen Webseiten mit Abos, Kunden-Support und allem Drum und Dran.
  • Nicht wirklich illegal: In den meisten westlichen Ländern ist das Ganze eine rechtliche Grauzone, was es für Publisher schwierig macht, den Anbietern den Garaus zu machen.

Aimbots als Service-Modell

Wer heute einen unfairen Vorteil sucht, muss nicht mehr in obskuren Foren betteln. Man geht einfach auf eine der unzähligen Webseiten, die wie eine etwas zwielichtige Version von Amazon für digitales Schmutzzeug aussehen. Dort gibt es Cheats für Valorant, Fortnite oder Warzone im Abo. Ein Tagesticket gibt's für 'nen Zehner, der Monats-Pass kann schon mal ein paar hundert Dollar kosten. Bezahlt wird bequem per Kreditkarte oder Krypto.

Diese Plattformen sind erstaunlich professionell. Es gibt Kundenrezensionen, Status-Updates in Echtzeit ("DETECTED" oder "SAFE") und einen Anreiz, die Kunden bei Laune zu halten. Ein funktionierendes Abo ist schließlich profitabler als ein einmaliger Betrug. Die Studie schätzt, dass zwischen 30.000 und 174.000 Leute jeden Monat für diesen Service bezahlen, und das nur im Westen.

Was kostet der Spaß eigentlich? Ein Blick auf die Preisschilder

Reden wir mal über Zahlen. Was legt man auf den Tisch, um in die Walhalla der Cheater aufzusteigen? Die Preisschilder variieren dramatisch und spiegeln die technische Herausforderung wider.

  • Die Schnäppchenecke: Nehmen wir Battlefield 1, dessen Anti-Cheat-System in der Rangliste ganz unten steht. Hier kann man schon für den Preis eines Kinotickets den Spielspaß für alle anderen ruinieren. "Engine Owning" verlangt lächerliche $10.89, und selbst teurere Anbieter wie "Sky Cheats" bleiben mit $55 im Rahmen.
  • Das umkämpfte Mittelfeld: Bei einem Spiel wie Apex Legends mit seinem soliden Easy-Anti-Cheat-System ist der Markt riesig und die Preisspanne enorm. Der Einstieg gelingt bei "Perfect Aim" für $25.43. Wer aber das Premium-Paket will, kann bei "Veteran Cheats" für den "X-ray"-Cheat satte $165.83 dalassen. Man merkt, dass die Anbieter hier deutlich mehr Aufwand betreiben müssen.
  • Die Luxus-Suite: Und an der absoluten Spitze? Das ist Valorant. Dank seines allgegenwärtigen Vanguard-Wächters ist das Umgehen der Schutzmaßnahmen eine Kunst für sich – und das lassen sich die Anbieter vergolden. "Veteran Cheats" ruft für seinen "Private Chams"-Cheat einen atemberaubenden Preis von $254.28 auf.

Es gibt auch nicht nur den einen Cheat für alle. Der Markt ist segmentiert. Oft findet man ein günstigeres "ESP Only"-Paket neben der teureren "Full"-Version, die dann auch den Aimbot enthält. Diese Preise sind kein Zufall – sie sind das direkte Ergebnis des technischen Wettrüstens.

Also, ist das Ganze überhaupt illegal? (Jein.)

Einer der Gründe, warum dieses Geschäft so offen floriert, ist die Rechtslage. Anders als in Südkorea oder China ist die Herstellung von Cheat-Software bei uns in der Regel keine Straftat. Publisher wie Bungie oder Blizzard müssen den mühsamen zivilrechtlichen Weg gehen und Anbieter wegen Urheberrechtsverletzung verklagen, weil der Cheat eine "unerlaubte Bearbeitung" ihres Werks sei.

 

Manchmal gewinnen sie, manchmal verlieren sie. Es ist ein teures Whack-a-Mole-Spiel. Selbst wenn ein Anbieter verurteilt wird, machen die Betreiber oft einfach unter neuem Namen weiter oder verkaufen eben Cheats für andere Spiele. Rechtliche Schritte sind Nadelstiche, keine Enthauptungsschläge.

Das Wettrüsten auf Kernel-Ebene

Der wahre Krieg tobt im Code. ESPs (Wallhacks) und Aimbots funktionieren, indem sie den Speicher des Spiels auslesen und manipulieren. Anti-Cheat-Systeme sind im Grunde die Türsteher, die das verhindern sollen. Und in den letzten Jahren haben die Türsteher angefangen, sich in euer Gehirn einzunisten, um eure Gedanken zu lesen.

Der entscheidende Unterschied ist, wo der Türsteher steht. Alte Systeme laufen im "User-Mode", auf derselben Ebene wie das Spiel. Moderne, effektive Systeme wie RIOT Vanguard, BattlEye oder Easy Anti-Cheat laufen im "Kernel-Mode".

Indem sie als von Microsoft signierte Treiber mit den höchsten Systemrechten agieren, haben sie quasi Gott-Status auf eurem PC. Sie können jeden Prozess überwachen, jeden Speicherzugriff blockieren und die Integrität des gesamten Systems prüfen. Das gibt ihnen einen massiven Vorteil.

Das macht es für Cheat-Entwickler ungleich schwerer. Sie müssen irgendwie unbemerkt an diesem allsehenden Auge vorbei. Die extremste Variante ist Vanguards Ansatz, der schon beim Hochfahren eures PCs startet und permanent läuft – eine Tatsache, die aus guten Gründen für hitzige Debatten über Privatsphäre und Sicherheit sorgte.

Die Anti-Cheat-Power-Rangliste

Die Studie hat die verschiedenen Systeme einem Stresstest unterzogen und sie nach ihrer "technischen Robustheit" sortiert. Das Ergebnis ist eine klare Hackordnung.

  1. Gott-Status: Ganz oben auf dem Olymp thront RIOTs Vanguard (Valorant). Es blockiert fast alles proaktiv und verteilt drakonische Strafen inklusive Hardware-Banns.
  2. Die Prätorianergarde: Knapp dahinter liegen die Systeme von Fortnite (EAC & BattlEye), Battlefield 2042 (EA Anti-Cheat) und Rainbow 6 Siege (BattlEye). Sehr stark, aber mit kleinen Macken hier und da.
  3. Solides Mittelfeld: Hier tummeln sich The Finals, Apex Legends und überraschenderweise Overwatch 2. Dessen System läuft zwar nur im User-Mode, ist aber extrem aggressiv beim Bannen und verlangt für neue Accounts eine neue Telefonnummer. Am unteren Ende dieser Gruppe dümpelt Ricochet für Warzone, das trotz Kernel-Zugriff in den Tests eine ziemlich schlechte Figur machte.
  4. Die Wühltisch-Abteilung: Ganz unten finden wir das gute alte Valve Anti-Cheat (VAC) für Counter-Strike 2 und TF2. Es bietet nur Schutz gegen die plumpsten Methoden und verlässt sich wohl auf serverseitige Magie, die im Test nicht ausgelöst wurde.

Die unsichtbare Hand des Anti-Cheat-Marktes

Und jetzt kommt der Hammer, die wichtigste Erkenntnis der ganzen Chose. Der Preis eines Cheats wird nicht durch die Beliebtheit eines Spiels bestimmt. Er wird durch die Qualität seines Anti-Cheats bestimmt. Die Analyse fand eine fast perfekte positive Korrelation (0.948) zwischen der Stärke des Schutzes und dem Preis des Cheats. Gleichzeitig gibt es eine starke negative Korrelation (-0.765) zwischen Schutz und Verfügbarkeit des Cheats.

 

Auf Deutsch: Je besser das Anti-Cheat, desto schweineteurer und unzuverlässiger werden die Cheats. Ein Valorant-Cheat kostet ein Vermögen und ist ständig offline. Ein CS2-Cheat ist billig und läuft fast immer.

Das ist die eigentliche Waffe. Ein starkes Anti-Cheat-System ist ein direkter wirtschaftlicher Angriff auf die Cheat-Hersteller. Es treibt ihre Entwicklungs- und Wartungskosten in die Höhe und macht ihr "Produkt" für den Endkunden unattraktiv.

Also, was lernen wir daraus?

Der Kampf gegen Cheater ist eine wirtschaftliche Abnutzungsschlacht. Die Publisher, die bereit sind, in teure, tief ins System eingreifende Schutzmaßnahmen zu investieren, bekämpfen nicht nur die Symptome, sondern trocknen den Sumpf aus, indem sie das Geschäftsmodell der Anbieter sabotieren. Es geht darum, den unfairen Vorteil zu einem schlechten Investment zu machen. 

 

Das Katz-und-Maus-Spiel wird nie enden, aber jetzt wissen wir zumindest, wie die Punkte wirklich gezählt werden: nicht in Kills, sondern in Dollar und Cent.